06. April 2029
Palm Bay, Florida
USA
Wie konnte es nur so weit kommen? Er hatte so viel für diese Mission gegeben. Zu viel. Seinen Glauben. Seine Ehe. Seine Familie. Und nun war alles umsonst. Er stand vor den Trümmern eines Traumes, der niemals Realität werden würde.
Percy blickte zum Himmel und sah dieses verflixte Ding.
Vor vier Jahren war es einfach so aufgetaucht. Es verschlang Saturn, den wohl schönsten Planeten dieses Sonnensystems – und mit ihm die Hoffnung der Menschheit auf eine Zukunft. Ein schwarzes Loch, so vermutete man zumindest. Seit diesem Tag war es deutlich gewachsen und besaß mittlerweile eine derart mächtige Gravitation, dass man bereits eine Änderung der Erdumlaufbahn um die Sonne von einigen Metern registrieren konnte. Schlimmer noch: Die Masse dieses Ungetüms und die der Sonne zogen sich gegenseitig an und es bewegte sich fortwährend auf die Umlaufbahn der Erde zu.
Im kommenden Jahr sollte sich „Moros‘ Auge„, so hatte die Presse unseren drohenden Untergang in Anlehnung an eine gleichnamige griechische Gottheit getauft, Jupiters bemächtigt haben. So lautete die bisweilen anerkannte und bittere Prognose. Uns hier auf der Erde blieben vielleicht noch 10 Jahre. Dann wäre alles vorbei. Die Sorgen, das Leid vieler Menschen – aber eben auch die Menschheit, das Wunder des Lebens auf der Erde selbst.
Auf das Verhalten dieser Menschheit hatte das drohende Ende, zumindest für Percys Geschmack, absurd wenig Einfluss. Nur Wenige schienen die Endgültigkeit der Situation zu begreifen und man gab sich der Idee hin, „dass man schon eine Lösung finden würde“ und „alles nur halb so wild sei“. Andere begründeten ihre Teilnahmslosigkeit damit, dass man ja sowieso nichts an der Situation ändern könne. Zugegeben, die von Regierungen und Behörden nach außen getragenen Informationen waren wohldosiert, vermutlich um Massenpaniken zugunsten einer gewissen Grundordnung zu vermeiden. Das drohende Ende der Welt war zu diesem Zeitpunkt vor allem Gegenstand von Internet-Memes, nicht von existenziellen Krisen ihrer Bewohner. Percy fühlte sich durch diese Umstände zunehmend von der Gesellschaft abgeschnitten. Er selbst verfügte über Wissen, das nicht an die Öffentlichkeit gelangen durfte. Da war niemand, der ihm wirklich etwas bedeutete und mit dem er seine Gedanken teilen konnte. Nicht mehr.
Bis zum heutigen Tage waren Wissenschaftler aller Nationen damit beschäftigt, die aus der Ferne messbaren Daten über dieses Objekt auszuwerten. Noch immer stritten sie darüber, ob es sich um ein „herkömmliches“ schwarzes Loch handeln konnte oder doch um etwas anderes. Aus dem Zentrum des Objektes würden Signale empfangen, die sich keinen bisher erlangten Erkenntnissen über schwarze Löcher zuordnen ließen. Als wenn das eine Rolle spielen würde…
2026 wurde Percy die Gelegenheit angeboten, Teil einer Forschungsmission zur Saturn-Region des Sonnensystems zu werden. Die NASA hatte in Zusammenarbeit mit dem Raumfahrtkonzern SpaceX ein Raumschiff entwickelt, dass in etwas unter vier Jahren das mysteriöse Objekt erreichen können sollte. Das war, bevor man die von dem „Loch“ ausgehenden Kräfte besser einzuschätzen wusste. Nun, drei Jahre später war man sich allerdings sicher, dass keine sichere Reise dorthin möglich sei. Jedes mit uns bekannter Technik ausgestattete Raumschiff wäre ab einer gewissen Distanz zur Zerstörung verurteilt, da man keine ausreichende Leistung erzeugen könne um der Gravitation entgegen zu wirken.
Als wenn das JETZT noch eine Rolle spielen würde.
Percy hatte sich schon lange Zeit vor diesem Spektakel mit Erfolg als Astronaut bei der NASA beworben. Ursprünglich war sein Ziel, Teil einer der während Donald Trumps Zeit als US – Präsident angekündigten Missionen zum Mond zu werden. Ursprünglich. Die Pläne für solche Missionen wurden nach dem Saturn-Ereignis 2025 ersatzlos gestrichen und stattdessen richtete man seinen Fokus auf eine Erforschung der neuartigen Gesamtsituation. Percy war das zu jenem Zeitpunkt egal – etwas Größeres hätte er sich für seine berufliche Karriere nicht erträumen können. Die Teilnahme an einer solchen Mission brachte aber zusätzliche Anforderungen mit sich, die er zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllte. Dies bedeutete zahlreiche Trainings, weitere Studiengänge und vor allem: Kein Privatleben mehr. Zunächst war seine Frau, Dana, damit einverstanden. Die positive Presse und der langsame Aufbau Percys und seiner potentiellen Crewmitglieder als heldenhafte Vertreter der Menschheit erzeugten eine gewisse Euphorie, die viele zwischenmenschliche Probleme ausblenden ließ. Über die Jahre wurde die zusätzliche Belastung aber zu viel und das Ehepaar entfremdete sich zusehends voneinander. Im April 2028 reichte Dana dann die Scheidung ein.
Percy blieb nichts mehr – nur noch der Glaube an die Mission zum Saturn-Phänomen.
Und nun stand er hier. Am Strand einer Küste eines Kontinents auf einem Planeten, für den es sich nicht mehr zu kämpfen lohnte.
