24. August 2029

Austin, Texas

USA

Hast Du was von Deinem Vater gehört? Liebe Grüße, Mom

Jennifer legte ihr Handy beiseite und schob sich einen Löffel Müsli in den Mund. Wenn, dann hätte sie etwas von der Missionskontrolle der NASA, ihrem geheimen Kontakt oder sonstwem, aber nicht von ihrem Vater persönlich gehört. „Von“ war also die falsche Präposition – Ein „über“ wäre in diesem Fall angebrachter gewesen. Jennifer liebte ihre Mutter, unterzog aber jede ihrer Messenger-Nachrichten einem kleinen Lektorat. Mutter Dana hatte dieses Verhalten vermutlich selbst verursacht, wurde sie schließlich im Gegenzug nie müde, Jens Nachrichtenbeiträge zu kritisieren. Jennifer tat es als typische Marotte vieler Schriftsteller ab, es brachte sie dennoch immer wieder auf die Palme.

Wahrscheinlich hatte Dana sich bei ihrer Frage solche Gedanken nicht gemacht und inhaltlich machte dies auch kaum einen Unterschied. Das „Liebe Grüße, Mom“ am Ende der Nachricht war allerdings völlig überflüssig, denn das Telefon würde den Absender in diesem Falle auch ohne jene Information mit der Rufnummer von Jennifers Mutter in Verbindung bringen können.

Dass sie das immer noch nicht kapiert hat. Jennifer seufzte.

Sie hatte noch nichts über den Status ihres Vaters gehört und fragte sich, woher das plötzliche Interesse seitens seiner Ex-Frau kam. Seit ein paar Monaten war die Scheidung ihrer Eltern durch und Jennifer hielt diesen ganzen Vorfall nach wie vor für einen (schlechten) Witz. Klar, Percy war mit Sicherheit ein noch viel schlechterer Ehemann als Vater – die wenige Zeit, die ihm abseits seiner Karriere blieb verbrachte er über die Jahre aber stets damit, die Nähe zu seiner Familie zu festigen. Nun ja, es sei denn, es handelte sich dabei um seine Tochter. Für sie und ihre Belange war häufig „gerade einfach keine Zeit“. Oder, wenn man Danas Beschwerden Glauben schenkte: Es handelte sich um seine Ehefrau. Gut, vielleicht war Percy wirklich eine Katastrophe, so rein zwischenmenschlich betrachtet. Jennifer liebte ihn dennoch. Bedingungslos. Und noch hatte sie keine Information über den bisherigen Verlauf seiner Mission ergattern können. Sie antwortete ihrer Mutter dementsprechend und legte das Handy wieder auf den Küchentisch.

Scotty, ihr Kater, huschte durch die angelehnte Tür und hopste auf den Hocker, der sich zu Jennifers rechten befand. Bis vor einigen Wochen war dies Stevens Platz. Steven war aber nicht mehr da. Er hatte den Entschluss gefasst, sich eine Pause von all dem, was ein Zusammenleben mit Jen so beinhaltete, zu gönnen. Seit dem stellte sie sich häufig die Frage, ob ihr Beruf, die Beziehung zu ihrem Vater, ihrer Mutter oder alles zusammengenommen zu viel für Steven gewesen war. Aber immer, nach dem sie sich diesen Zweifeln hingab, stellte Jennifer fest, dass Steven auch einfach nur ein Idiot sein konnte, der neben dem Rumgevögel kaum einen Mehrwert in ihrer Beziehung gesehen hatte.

Arschloch.

Jennifer rief ihre E-Mails ab und machte sich Notizen zu einigen ihrer dort eingegangenen Aufträge. Auch wenn sie es lange Zeit umgehen konnte, so war sie mittlerweile vor allem bei Artikeln über die Mission zu Moros‘ Auge ziemlich gefragt. Sie hatte wirklich versucht, ihren Klienten zu verdeutlichen, dass sie unter normalen Umständen auch nicht über mehr als die offiziell verfügbaren Informationen verfügte – trotzdem gaben die Boulevardblätter und andere, seichte Nachrichtenportale sich die Klinke in die Hand, wenn es um Anfragen bezüglich ihrer Dienste als freie Redakteurin zu diesem Thema ging. Ihre Mutter befand sich also offenbar in guter Gesellschaft.

Sie konnte niemandem glaubhaft vormachen, nicht auch selbst neugierig auf die Erlebnisse ihres Vaters zu sein. Bis zu dessen Ankunft am Mars und der ersten direkten Kontaktaufnahme mit einem Außerirdischen würde allerdings noch einige Zeit verstreichen und so wie es aussah, müsste sie bis dahin Informationen anbieten, die entweder nicht besonders relevant oder an den Haaren herbei gezogen waren.

Informationen. Die brauchte sie. Jetzt, demnächst und vermutlich für die verbleibende Dauer der menschlichen Existenz. Es war schon ein paar Wochen her, dass sie Kontakt zu ihrem Informanten bei der NASA hatte. Jennifer nahm ihr Handy wieder zur Hand und öffnete den Nachrichtenverlauf mit entsprechender Person. Oberhalb der Konversation prangte ein großer, grüner Button, der zum Anruf aufforderte. Jennifer betätigte ihn mit einem Zeigefinger. Es klingelte.

„Hi James.“

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